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Ghost of Tsushima

Nach der ersten Stunde mit Ghost und Tsushima aus den Sucker Punch Studios, deren ersten beiden Sly Raccoon Spiele für ewig einen Platz in meinem Herz haben, deutete sich die Vermutung eines Fehlkaufs an. Irgendetwas stimmte nicht. Erst eine Marathonsitzung später wurde mir klar, dass dieses Spiel ziemlich genau das ist, was ich 15 Jahre nach Acquires Shinobido auf der Playstation 2 gebraucht habe.

Dummerweise fühlte sich anfangs für mich alles wie ein weiteres Assassin’s Creed an. Da Assassin’s Creed für mich mittlerweile aber die Kartoffeln mit Erbsen und Soße sind, mit der mich meine Eltern tagtäglich und solange gefüttert haben, bis ich nichts davon mehr sehen konnte, war meine Enttäuschung groß. Nur die unglaubliche Schönheit dieses Spiels hielt mich glücklicherweise bei der Stange. Und das kann gar nicht oft genug geschrieben werden: Ghost of Tsushima ist vermutlich und sprichwörtlich der schönste Abgesang auf die Playstation 4, den es geben konnte.

Und als der Fähigkeitenbaum langsam aber sicher wuchs, die absichtlich cineastisch träge Steuerung endlich in Fleisch und Blut überging, ich mich an die stellenweise überforderte Kameraführung gewöhnt habe und das Timing beim Parieren und Ausweichen immer öfter passte, war ich in diesem Spiel gefangen, wie der Protagonist in im Geflecht aus Tradition und Würde. Die habe ich ihm natürlich direkt abgewöhnt, denn wenn mir jemand die Wahl zwischen ehrenvollem offenen Kampf und hinterlistigem Anschleichen gibt, dann hat derjenige schon ein Messer im Rücken, bevor er noch „Und los!“ sagen kann.

Und so zog ich mit meinem treuen Pferd Nobu durch die malerisch schöne Landschaft der Insel Tsushima, der ersten Station der mongolischen Invasion Japans um genau diese quasi eigenhändig zu stoppen. Natürlich gaukelt mir die Geschichte im Verlauf des Spiels vor, dass ich mit einer Gruppe Gleichgesinnter in den Kampf ziehe und natürlich muss ich am Ende in den Missionen trotzdem alles selber machen.

Die Geschichte aber, und bitte verzeiht mir dieses Sakrileg, war für mich zweitrangig. Auch die Missionen, beziehungsweise die Tales, wie sie hier heißen, haben mich abseits des Kampfes eher genervt. Gefühlt ritt ich dabei die Hälfte der Zeit bloß hinter irgendwelchen Personen her. Nein, ich wollte nur all die Lager der Mongolen ausmachen und ging darin auf, diese mal mehr und mal weniger gekonnt auszuräumen. Mit einem Spielgefühl, dass ich zuletzt vor 15 Jahren bei Shinobido oder dessen Tenchu Vorgängern hatte.

Denn was der offenen Welt so ein bisschen an Innovation fehlt, abgesehen vom Wind, der mich zielsicher zu allen Punkten auf der Karte leitet, das floss dahin, wo es gebraucht wird: in den Kampf. Egal ob im Duell mit einem oder mehreren Gegnern oder aus dem Hinterhalt: Alles ist erlaubt und alles, was bei Ghost of Tsushima zum Tod eines oder mehrerer Gegner führt, fühlt sich einfach verdammt gut an, sofern man sich erst einmal eingespielt hat. Wenn Protagonist Jin nach einer halben Stunde anschleichen und patzen mit Rauchbomben, Giftpfeilen und Bogenschießen und immer wieder mit Katz und Maus spielen als Letzter im leeren Lager steht und sich elegant in der Armbeuge das Blut von der Klinge streift, dann ist das Chambara, japanisches Schwertkampf Kino in Perfektion.

Umso schrecklicher finde ich, dass ich Stand jetzt (die Hauptgeschichte habe ich beendet, zwei Handvoll Nebenmissionen sind noch offen) keine Möglichkeit sehe, diese Einsätze nachzuspielen. Ich erinnere mich an Shadow of Mordor, wo ich noch Tage damit verbrachte immer wieder ganze Orkfesten einzunehmen. So wie es jetzt aussieht, beschränkt sich das bei Ghost of Tsushima auf kleine Auseinandersetzungen am Wegesrand.

Dennoch: Ghost of Tsushima kann ich für mich, nach anfänglicher Skepsis und trotz offensichtlicher Mängel, als wahnsinnig gut bezeichnen und ich gebe nicht eher Ruhe, bis sich auch der letzte Sammelgegenstand auf der Insel in meinem Besitz befindet. Was wohl leider nicht mehr lange dauern wird. Um die Götter, sorry, die Kami, also Sucker Punch zu einem Inhalts Update zu bewegen und weil auch Jin im Spiel gerne mal einen Haiku dichtet (aus drei Sätzen à fünf, sieben und wieder fünf Silben), tue ich es ihm im Fazit gleich:

Der Insel Schönheit
Ehre oder Hinterhalt
Es ist großartig

#spiel