John Wick
Ein runtergekommenes Lokal, irgendwo am Rande der Downtown Los Angeles. An der Bar auf einem Hocker sitzt ein gebückter Mann über einem billigen Whiskey. Die Gestalt starrt leer in das volle Glas, während die rechte Hand mit einer viereckigen Serviette spielt. Im Hintergrund tönt Buenas Tardes Amigo von Ween kratzig durch Lautsprecher, an deren besten Tagen der jetzige Besitzer dieser Bar noch nicht einmal geboren war. „… Cinco de Mayo is on tuesday …“ tönt es in das Lokal hinein. Ein Standard iPhone Klingelton beginnt aus der Tasche des Mannes heraus zu läuten. Er ignoriert diesen. Die Tür öffnet sich und eine weitere Gestalt betritt die Bar. Die staubige Dunkelheit des Etablissements wird vom Licht L.A.s durchfahren und überall tanzen Staubkörner durch die Luft. Die Gestalt, ebenfalls ein Mann, geht mit gemächlichen aber bestimmten Schritten auf die Theke zu und bleibt neben dem dort sitzenden Mann stehen. „Liam“, spricht er diesen an. Nichts passiert. Das Telefon klingelt weiter. „Liam!“ entfährt es den Mann jetzt lauter. „Hm?“, der sitzende Mann blickt müde über seine Schulter und schaut sein stehendes Gegenüber fragend an. „Dein Telefon klingelt, Liam.“ „Mir doch egal“, antwortet Liam Neeson. Der eben noch stehende Mann setzt sich zu Liam Neeson an die Theke und bestellt mit einem tollen englischen Akzent noch einen Whiskey. Das Telefon hört auf zu schellen. „Sie haben wieder meine Familie, Jason“, sagt Neeson. Jason Statham verharrt in seiner Bewegung, mit der er es sich gerade gemütlich machen wollte und blickt Liam Neeson ungläubig an. „Schon wieder?“ „Fuck, ja“. „Verdammt!“ Jetzt ertönt ein polyphoner Standard Nokia Klingelton, irgendwo aus der Lederjacke Jason Stathams. Auch er geht nicht ans Telefon. Er blickt hinüber zum Barmann, bestellt drei Flaschen Whiskey, einen Eimer, zwei Strohhalme und eine Tüte Erdnüsse. Die nächsten 24 Stunden wechseln sich beide Telefone regelmäßig mit ihren Klingeltönen ab und werden konstant ignoriert. Liam Neeson wird irgendwann ein Nasenbein auf dem nassen Thekenholz brechen und Jason Statham stammelt die ganze Zeit über etwas von Regeln, während er mit dem Unterschenkel einen Drogen-Dealer würgt. Außerdem geht ein Spiegel zu Bruch, der älter war als sein jetziger Besitzer. Irgendwo am anderen Ende der Stadt, in einem Büro in Hollywood sitzen ein Studioboss und ein Produzent, sichtlich verzweifelt, an einem Mahagoni-Schreibtisch und pusten ihre wunden Finger vom Telefonieren. „Hast du Jason Statham erreicht?“, fragt der Produzent. „Nein …“, sagt der Studioboss, „… er geht einfach nicht ans Telefon!“ „Neeson auch nicht“, erwidert der Produzent. Beide gucken vor sich auf den Schreibtisch. Vorsichtig blickt der Studioboss nach oben in die Augen des Produzenten „Was machen wir nun?“ Es vergeht eine kurze Minute, in der sich beide weder bewegen noch einen Mucks sagen. Dann schlägt der Studioboss auf den Tisch. „Scheiß drauf, wir nehmen den Typen aus Matrix!“ An wieder einem anderen Ende der Stadt spielt das Mobil-Teil eines Festnetzanschlusses Beethovens Für Elise. Ein Mann nimmt ab und meldet sich schüchtern mit „Reeves.“
John Wick ist solide Unterhaltung ohne viel Anspruch, wirkt aber wie eine auf 100 Minuten aufgeblasene Sorter-Baller-Szene aus Guy Ritchies „Revolver“ und darauf warte ich schon seit Jahren.
P.s.: Der Cinco de Mayo fällt dieses Jahr tatsächlich auf einen Dienstag.