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Kennste den schon?

Der gesprächige Sidekick, der zu jeder Zeit immer den passenden Spruch auf den Lippen hat, war lange Zeit fester Bestandteil des durchschnittlichen Action-Kinos. Was aber, wenn jemand in einem Mehrspieler-Shooter à la Battlefield 1943 Quasselwasser aus Eimern gesoffen hat? Ein Erfahrungsbericht aus dem Leben.

Ich selbst nutze kein Teamspeak, aus dem einfachen Grund weil meine Tochter im zarten Alter von eineinhalb Jahren mein Headset äußerst effektiv versteckt hat und ich es bis dato weder wiedergefunden habe, noch den Drang verspürte ein neues zu kaufen. Bei Battlefield 1943 ist ein Headset nicht zwingend notwendig um andere Mitspieler zu hören. Alternativ knarzen die Nachrichten der direkten Team-Kollegen in gefühlten 8 Bit über die Lautsprecher des Fernsehers. Nichts was einem wirklich hilft, aber durchaus nerven kann.

In dem Fall den ich hier näher schildern möchte, dreht es sich um einen verzweifelten Versuch eines englischsprachigen, männlichen Jugendlichen, der eine weibliche Teamkollegin mit allerlei verbaler Aufwendung zu umgarnen versuchte. Gefühlt erfolglos.

Ich schwinge mir gerade virtuell das mit Mahagoniholz beschlagene Gewehr über die Schulter und mache mich vom Landungsboot aus auf den Weg in die Schlacht um Iwo Jima. Die erste neutrale Basis anvisiert, immer auf der Lauer nach gegnerischen Soldaten. Ich bin kein guter Spieler in Sachen Ego-Shooter und daher oftmals angespannt wie ein Flitzebogen. Ich sichere die Flagge, sitze in der Hocke hinter einer Deckung, harre der Dinge die da kommen … und höre folgenden Satz: “Du bist eine Frau und spielst also Battlefield?”. Oha, denke ich bei mir. Das offensichtliche unterstreichen kommt bei den Flirt-Tabus doch gleich nach dem Wetter, oder? “Du bist scheinbar anders”. Meine Flagge wird von einem Hügel aus attackiert. “Ich steh auf Frauen, die coole Hobbys haben”. Mit schlecht gezielten Schüssen zwinge ich den Angreifer in Deckung, bringe eine Gewehrgranate auf den Weg und stelle mir einen Poesiebuch-Eintrag marke “Meine Hobbys sind Reiten, Schwimmen und Battlefield 1943? vor. Konzentrier dich, ermahne ich mich selbst … und sterbe durch eine feindliche Granate. Bah.

Meine Mitstreiter waren ähnlich erfolglos und so finde ich mich auf dem Flugzeugträger wieder. Genervt beginne ich die Überfahrt zur Insel erneut, gewillt meine Flagge zurückzuerobern. Da ist die Stimme wieder. Er würde ja “irgendwie” immer schon auf Frauen stehen, die “anders” sind. Ich fasse es nicht. Junge, das hier ist doch Krieg! Eine Kugel trifft mich, ich verfluche die Nervensäge und suche verzweifelt nach Deckung. Ich kauere hinter einem Felsen und warte darauf geheilt zu werden. Aus den Lautsprechern knarzt ein “Kennste den schon? Der Präsident, die First Lady und der Papst sitzen im Flugzeug …” Um Himmels Willen! Ein Panzer hat mich von hinten voll erwischt. Ich nutze den Statusbildschirm um den Unruhestifter auszumachen. Die Tatsache, das er den Namen eines nationalsozialistischen Truppenführers trägt, macht ihn nicht unbedingt sympathischer. Über die politische Einstellung muss das, gerade im nicht deutschsprachigen Raum, nichts aussagen (der Wurm in dem Worms-Team eines Afro-deutschen Freundes von mir hieß auch so), es lässt aber vermuten, dass ich sein Alter deutlich überschätzt habe.

Zurück zum Geschehen. Es gibt zwei Arten Witze zu erzählen: kurz und knapp oder langatmig und ausgeschmückt. Casanova hier lag mit seiner Gespielin in spee gedanklich scheinbar schon in den Federn und nutzte nun seinen Witz, um seine Ausdauer unter Beweis zu stellen. Nie zuvor hat mich der Schrecken des Krieges in Battlefield 1943 so hart getroffen, wie in diesem Match. Auch das Aufdrehen des Custom Soundtracks (Hans Zimmers Agent of Chaos) erstickte die monotone Stimme nur bedingt. Die Lage für meine Truppe auf Iwo Jima: ausweglos. Der Witz meines Teamkollegen: ebenfalls ausweglos, aber eine Gefahr für den Zusammenhalt der Einheit allemal. Mich beschleicht kurzzeitig der Verdacht, Monty Pythons tödlichen Witz zu belauschen. Verdammt! Handelt es sich bei Casanova etwa um einen Agenten des Feindes?

Entwarnung. Der Witz scheint unlustig aber harmlos. Nicht so das Großkaliber, das sich rücklings in die Schulter meines Soldaten bohrt. Der Witz kann unmöglich das Herz der Dame erobert haben, mich aber hat er derart abgelenkt, das ich plötzlich offen und ohne jede Deckung auf einer Straße stehe. Ich erkenne meine missliche Lage, drehe mich um und eröffne das Feuer. Nur um zu sehen, das mein Angreifer nicht zu Fuß sondern mit dem Flugzeug unterwegs ist. Zwei, drei, vier weitere Treffer stecke ich ein, bevor mein Soldat zu Boden geht und eine Radiobotschaft das Ende der Schlacht zugunsten des Feindes verkündet.

Ich schreibe diese Worte, damit die Welt weiß, das ein weiteres Mal das Ringen um die Liebe einer Frau den Ausgang einer Schlacht beeinflusste. In diesem Fall kurioserweise gepaart mit einem äußerst schlecht erzählten Witz. Krieg ist eben die Hölle.

#prosa #spiel