(ミ꒡ᆽ꒡ミ)

Letters from Wake Island

Ich laufe durch das matschige Grau von Wake Island im Multiplayer Modus von Battlefield 3 auf der Xbox 360. Irgendwo zwischen Hawaii und den Vereinigten Staaten. Es ist eine trostlose Gegend. Kräne, Bagger, ein Rollfeld des US-Millitärs. Ich muss an die saftigen Wiesen, den weißen Sandstrand und das herrlich blaue Meer von Wake Island in Battlefield 1943 denken. Lustig, denke ich. Ein virtueller Soldat im virtuellen Krieg sehnt sich also nach Urlaub in einem anderen virtuellen Krieg. Aber warum eigentlich nicht? Ich verlasse Battlefield 3, packe im Kopf meine sieben Sachen und starte Battlefield 1943. Ein Reisebericht.

Wohl vertraut dröhnt mir das Battlefield Thema aus den Boxen des TVs entgegen. Ganz anders als der musikalische Minimalismus von Battlefield 3. Ich bin Level 33. Wusste ich gar nicht mehr. Der Zufall spielt mit und die erste Karte ist tatsächlich das gute alte Wake Island. Ich erinnere mich wieder an das stromlinienförmige Gamedesign von Battlefield 1943. Drei Klassen, mit festen Waffen, die man nicht wie in Teil 3 alle individuell aufleveln kann. Bei Battlefield 1943 ist der Anfänger genauso ausgestattet, wie der Veteran. Es zählen nur die eigenen Fertigkeiten im Umgang mit den Waffen und der Umgebung. Perfekt.

Das erste, was mir auffällt: es ist verdammt hell und schön. Das blaue Wasser lädt ein zum Sprung ins kühle Nass. Verträumt schaue ich auf die entlegene Insel. „Get aboard!“, brüllt es mir aus dem Spiel entgegen. Bei Battlefield 1943 wird vor dem Ablegen also noch gewartet, bis das Boot voll ist, anstelle alleine mit einem vier Mann fassenden Gefährt eigennützig zur nächsten Flagge zu heizen. Ich bilde mir jetzt schon ein, mit weit erwachseneren Spielern zusammen zu spielen, als es bei Battlefield 3 und Bad Company 2 der Fall ist.

Ich hatte mir vor diesem Ausflug vorgestellt, wie es wohl auf den 1943 Servern aussehen würde. Spielt das überhaupt noch jemand? Und wenn ja, schießen die noch aufeinander? Oder laufen die schon als große Gruppe einfach um eine der drei Inseln, in einer Art Marathon für den Frieden? Wäre schon cool. In der Realität sind die Matches aber immer noch voll. Und es wird geschossen. Nicht gemeinschaftlich gelaufen für den guten Zweck. Okay. Dann eben auf die harte Tour.

Mir fällt auf, wie gut Battlefield 1943 aussieht. Die Bewegung des eigenen Spielers fühlt sich immer noch super an. Wenn, dann nur unmerklich schlechter als bei Teil 3. Das Waffengefühl funktioniert auch immer noch. Die Insel sieht schön aus. Da sind sie wieder, die grünen Wiesen, der weiße Sandstrand. In der Luft kreisen bereits vier Flugzeuge, werfen Bomben und beschießen sich gegenseitig. Der größte Unterschied: ich kann nicht, wie erstmals bei Teil 3 in der Serie möglich, meine Beine sehen, wenn ich nach unten schaue und ich habe kein verschmutztes Visier vor den Augen. Der Blick ist klar. Die Frostbyte Engine ist auch in dieser Version immer noch überzeugend.

Und Battlefield 1943 ist schwer. Weil ich nicht wie in Battlefield 3 für jede Waffe ein Zielfernrohr freischalten kann muss ich außer bei der Scharfschützen Klasse über Kimme und Korn zielen. Oder gleich aus der Hüfte. Das ist ein großer Unterschied. Aber auch der Scharfschütze ist gehandicapt: sein einziges Gewehr muss nach jedem Schuss abgesetzt und gespannt werden. Immerhin: alle Waffen haben unendlich Munition. Handgranaten und Sekundärwaffen laden sich nach einer kurzen Zeitspanne automatisch auf. Nicht wie bei Teil 3, wo ich auf die Support-Soldaten angewiesen bin, die mir neue Munition bereitstellen.

Ich werde einige Male erschossen, weil ich die Waffe mit dem leergeschossenen Magazin nicht wie bei Battlefield 3 und Bad Company mit der Y-Tase wechsle, sondern mit rechten Schultertaste. Mein Gehirn ist verwirrt, meine Gegner amüsiert, weil ich sie immer wieder mit einer Salve anschieße und ihnen dann mit einem Schraubenschlüssel zuwinke, bevor sie mich erschießen. Denn mit der Y-tTaste wählt man im 1943er Teil die Nahkampfwaffe. Der besagte Schraubenschlüssel, ein Bajonett oder ein Katana. Beim Anblick der stählernen Klinge weiß ich wieder, warum mir die Scharfschützen-Klasse so gut gefallen hat. Ich mache mich sogleich auf den Weg, schleiche mich durchs Unterholz von hinten an Gegner heran, strecke sie mit dem Schwert nieder. Einmal, zweimal, dreimal, viermal. Beim Anblick der Nahkampf-Briefmarke, frei nach dem Titel des Eastwood Films „Letters from Iwo Jima“ erdachte Auszeichnungen, die Belohnungen in Battlefield 1943 darstellen, bin ich endgültig im Flow.

Ich bleibe am Ball, kämpfe auch auf Iwo Jima, Guadalcanal und immer wieder auf Wake. Nachdem mein Squad und ich in meinem letzten Spiel des Abends in einem erbitterten Kampf den Vulkanberg auf Iwo Jima erobert haben, werde ich zum Captain Bronze befördert. Level 34. Noch 16 Level bis zum Maximum. Ich habe Lust, das wieder in Angriff zu nehmen. Ich verabschiede mich von meinem Squad und frage, ob sie morgen Lust hätten, ein zwei Runden um Iwo Jima zu joggen. Für den Frieden und in Gedenken an die tausenden Menschen, die 1943 dort gestorben sind. Einer bekommt nur ein „Ähh“ heraus, ein anderer meint, er könne morgen nicht. „Okay“, sag ich. Dann eben nicht.

#prosa #spiel