Pastinaken
Rosie und Jason Statham wollen es sich gerade mit einem Sechserträger Piccolosekt und ihrem ein Jahr alten Sohn Jack Oscar am Strand von Venice Beach gemütlich machen, als ein erboster Aufschrei die Ruhe jäh zerreißt. Eine aufgebrachte Mutter echauffiert sich einige Minuten später bei Rosie, dass Jack Oscar ihren zehnjährigen Sohn mit dem Gesicht in einer Sandburg fixiert hat und aktuell versucht dessen Hände hinter dem Rücken mit einem abgerissenen Stück Jeans seines modischen Einteilers zu fesseln. Während Rosie mit ruhiger Stimme und einer Flasche Sekt versucht, die Situation zu entschärfen, starrt Jason Statham hinter seiner Sonnenbrille regungslos auf das offene Meer hinaus. Er seufzt.
Es ist ruhig geworden um die durchtrainierte Killermaschine. Man sagt, dass Kinder den Charakter der Eltern verändern, und tatsächlich hat Jason Statham letztens erst Brötchen geholt, ohne dabei Kollateralschäden im sechsstelligen Bereich zu verursachen. Sogar die Bäckerei selbst konnte nach einwöchiger Pause für den Wiederaufbau wieder ihren Betrieb aufnehmen. Quasi reibungslos. Irgendetwas fehlt Jason Statham. Er ertappt sich immer wieder bei Handlungen, die ihn stutzig machen. Eine Zwiebel wird von ihm plötzlich gewürfelt, ohne sie vorher fachmännisch an mindestens drei vitalen Punkten mit dem gerußten Santoku zu durchbohren. Oder das abgekochte Wasser zur Reinigung von Jack Oscars Babyflasche, das er letztens einfach in den Ausguss goss, ohne vorher damit noch schnell einem Verbrecher das Gesicht zu verbrühen. Dass wirklich irgendetwas nicht stimmte wurde ihm allerdings erst klar, als er neulich mit Liam Neeson am Kamin eine Flasche Bier geöffnet hatte, indem er ihren Kronkorken mit einem Flaschenöffner entfernte und nicht, wie eigentlich üblich, den Flaschenboden an einer harten Oberfläche zerschlug. Dieses Mitleid in Liam Neesons Blick tat mehr weh, als das zerborstene Paddel, das er sich selbst beim Angelausflug mit Jack Oscar ein Wochenende vorher aus dem Oberarm operieren musste.
Der leichte Wellengang des Meeres hypnotisiert Jason Statham in seinem Kummer. Während links von ihm seine Frau Rosie bereits die dritte Flasche Piccolo mit der inzwischen ruhig gestellten fremden Mutter öffnet, meldet sich Jason Stathams Spinnensinn zu Wort. Am Horizont des kalifornischen Meeres erscheint glitzernd die Rückenflosse eines Hais! Auf halber Distanz zwischen dem marinen Killer und Jason Stathams stählernen Blick paddelt der kleine Jack Oscar auf einer roten Luftmatratze durch die seichten Wellen. Nur wenige Sekunden später ertönt die Warnung der Küstenwache aus dem 60 Jahre alten Propagandalautsprecher, aber da hat sich Jason Statham bereits nackt bis auf die Gucci-Unterhose (ohne Eingriff) in die Wellen gestürzt.
Jack Oscar, der sich gerade mit den Zähnen eine Dose Pastinaken aufgemacht hat und im Begriff ist, diese über einem Campingkocher auf der Luftmatratze heiß zu machen, merkt von der herannahenden Katastrophe natürlich nichts. Er ist ja noch klein. Der riesige Hai hingegen freut sich auf einen Happen zwischendurch und hat jetzt deutlich Fahrt aufgenommen. Wie ein Delfin springt Jason Statham auf dem Weg zu seinem Sohn immer wieder aus dem Wasser, als er mehre Boote der Küstenwache überholt und eines davon beinahe zum Kentern bringt. Er weiß, dass jede Sekunde zählt, um die drohende Katastrophe zu verhindern.
Als Jason Statham sich versehentlich in der Schiffsschraube eines zufällig vorbeikommenden Containerschiffes verfängt und dieses daraufhin innerhalb von Sekunden und mit rund 90 Containern voll Samsung Galaxy S9 Mobiltelefonen untergeht, ist es bereits zu spät. Der Angriff dauert nur Sekunden, die darauf folgende Stille aber ist unerträglich lang. Die Boote der Küstenwache haben Jason Statham, der wie gelähmt vor sich auf das Meer starrt, nun erreicht und ein Mitglied der Besatzung übergibt sich beim Anblick der Katastrophe ins Meer. Im größeren Umkreis der Luftmatratze hat sich das Wasser vom Blut rot gefärbt. Überall schwimmen kleinere Fetzen ehemaligen Lebens. Auf der Luftmatratze blickt der hungrige Jack Oscar, dessen Mundpartie blutverschmiert ist, fröhlich in die Dose Pastinaken in denen jetzt auch Teile eines fachmännisch zerteilten Haifischs schwimmen.
Es kommt die Zeit im Leben eines Helden, da werden die Zeichen, in den Ruhestand zu treten, deutlicher. Jason Statham, dessen Zeichen einer majestätischen Kreatur, die Millionen von Jahren überdauert hat, nicht aber Jack Oscar Statham gewachsen war, das Leben gekostet hat, schwimmt sichtlich gebrochen mit einer Luftmatratze und seinem Sohn im Schlepptau und an einem Schwarm Samsung Galaxy Telefonen vorbei, zurück an den Strand. Er braucht jetzt dringend einen Piccolosekt. Und von Haien möchte er am liebsten erst einmal gar nichts mehr hören.