The Pathless
Die Entwickler des großartigen Spiels Abzû sind wieder da und haben mir mit The Pathless ein frühzeitiges Weihnachtsgeschenk beschert. Alles, einfach alles an diesem Spiel ist so wunderbar, dass ich gar nicht anders kann, als hier und jetzt einen Liebesbrief an dieses Spiel zu verfassen.
Als mysteriöse Jägerin streife ich bei The Pathless durch eine fremde Wildnis, deren friedliches Dasein von einer Schar Dämonen bedroht wird. Natürlich liegt es da an mir, das wieder gut zu machen und ... na gut, ich gebe es zu: Ich habe von der Geschichte, die in Form von winzigen Texthäppchen überall in der Umgebung auf Steintafeln und aus den Seelen der verstorbenen Einwohner des Landes zu erfahren ist, nicht viel mitbekommen. Ich bin einfach zu faul, das alles zu lesen. Der Atmosphäre des Spiels tat das aber keinen Abbruch.
Denn die Welt von The Pathless gehört zu den Schönsten, die ich je in einem Spiel gesehen habe. Und für ein Indie Team dieser Größe ist eine Spielwelt dieser Größenordnung in meinen Augen schon ein kleines Wunder. Strukturiert ist diese offene Welt so, dass ich mich mit der Zeit und mit besseren Fähigkeiten von ganz unten über mehrere Ebenen bis ganz nach oben arbeiten muss. Der Clou ist, wie ich mich in dieser Umgebung fortbewege. Bewaffnet mit einem Bogen und einem Adler, der mir auf Schritt und Tritt folgt, kann ich das entweder traditionell im Laufen tun oder ich hänge mich an meinen gefiederten Begleiter und gleite über das Land. Oder, und hier komme ich zur dritten und coolsten Methode, ich schieße stetig auf überall in der Luft schwebende Talismane, die mich rasend schnell über den Boden schlittern lassen. Da die Talismane in regelmäßigen Abständen auf der Insel verteilt sind und mein Bogen immer automatisch den mir am nächsten schwebenden anvisiert, kann ich die Schüsse so kombinieren, dass ich fast durchgehend über Felder, Wiesen und durch Wälder rutsche. Das ist nicht nur sehr bequem, sondern sieht auch noch ziemlich gut aus.
Spielerisch stellt sich The Pathless angenehm einfach dar: Überall sind kleine Rätsel versteckt oder offensichtlich platziert, die es zu lösen gilt. Manche belohnen mich mit Erfahrung für den Ausbau meiner Fähigkeiten, andere geben sogenannte Lichtsteine frei. Mit letzteren kann ich riesige Türme in Form von Totempfählen erwecken, die dann zu meinem Fortschritt im Spiel beitragen. Die Komplexität der Rätsel definiert sich dabei eher in ihrer Quantität als in ihrer Qualität. Oftmals dauerte die Lösung länger, weil ich einfach viel zu kompliziert gedacht habe. Andererseits haben die einzelne Orte und Sehenswürdigkeiten, die diese Rätsel beherbergen sehr viele davon, sodass ich dort am Ende trotzdem lange verweilte. Selbst nach 18 Stunden Spielzeit, zwei verschiedenen Abspännen und einer Platintrophäe habe ich noch nicht alle Rätsel gefunden.
Das schöne an der Rätselei in der offenen Welt: Gegner im traditionellen Sinn gibt es keine. Jedes Gebiet hat einen korrumpierten Dämonen, dessen stürmische Aura mich zwar ab und mal einfangen kann, wenn ich nicht vorsichtig genug bin und Abstand halte. Aber nach einem kurzen Schleichabschnitt bin ich dann schnell wieder frei und kann die Umgebung ungestört weiter erkunden. Das fand ich schon bei Shadow of the Colossus großartig und gefällt mir hier genau so gut. Genau wie bei Team Icos Klassiker kann ich mir hier ebenfalls aussuchen, wann ich einem Boss gegenüber treten möchte. Die Tatsache, dass ich in diesem Spiel auch dabei nicht sterben kann, verleiht The Pathless obendrein noch eine ganz neue frustfreie Qualität. Das Spiel möchte mich einfangen und festhalten, nicht vergraulen. Es ist fast alles zu schön um wahr zu sein.
Wir haben Dezember und ich blicke als überzeugter Indiespieler trotz Corona Krise auf eine volles und tolles Spielejahr zurück. Und The Pathless steht dabei weit, wenn nicht sogar ganz oben auf meiner Liste der besten Spiele.