Was ist Hutton Orbital?
Jeder, der sich schon mal irgendwie mit Elite: Dangerous beschäftigt hat oder mir auf einem der asozialen Netzwerke folgt, hat wohl früher oder später schon mal diese beiden Worte gelesen und sich gewundert, was das wohl ist: Hutton Orbital. Ich nutze also meinen ersten Beitrag nach der obligatorischen Jahreswenden-Schreibblockade in diesem Blog zur Erläuterung des Phänomens Hutton.
Also, was ist Hutton Orbital?
Ganz einfach: Hutton Orbital ist ein Außenposten, eine virtuelle Raumstation in der Weltraum-Simulation Elite: Dangerous. Sie befindet sich dort im Alpha Centauri System. Wie noch 160.000 weitere Systeme in Elite basiert auch das Alpha Centauri System auf uns bekannten, realen Daten der Milchstraße. Das Doppelsternen-System, das sich ungefähr 4,38 Lichtjahre entfernt von unserer Sonne im Sternbild des Zentauren befindet, ist dem einen oder anderen also eventuell schon ein Begriff. Und wie beim realen Konterfei umkreist auch im Spiel ein dritter Stern, der rote Zwerg Alpha Proxima, die beiden Sonnen des Alpha Centauri, was zur Folge hat, dass Alpha Proxima, obwohl er selbst zum Beispiel vom Planeten Eden umkreist wird, auch in Elite nicht als eigenständiges Sonnensystem durchgeht. Und was nicht als eigenständiges System durchgeht, kann auch nicht direkt mit einem Sprung durch den Hyperraum mit Hilfe des Frame-Shift Antriebs erreicht werden. Aber eben genau dort, um den Planeten Eden, kreist der Hutton Orbital Außenposten. Um diese Station also dennoch zu erreichen, ist es notwendig ins Alpha Centauri System zu springen und den langen Weg bis Alpha Proxima und Hutton Orbital sozusagen manuell (Elite-Jargon: im Supercruise) hinter sich zu bringen. Eine Strecke von ziemlich genau 0,22 Lichtjahren, was im realen Leben umgangssprachlich arschlang ist und auch im Spiel eine Flugzeit von immerhin noch 90 Minuten ausmacht. Das ist schon sehr lang. Vor allem, wenn man unwissend einen Botengang dorthin ausgewählt hat, weil man sich der Länge der Strecke noch gar nicht bewusst war.
Okay, aber wer fliegt denn überhaupt dort hin?
Tatsächlich viel mehr Menschen als man denkt. Nach anfänglicher Meckerei einiger aufgebrachter Spieler, die sich wie beschrieben unwissend auf die Tour eingelassen haben, wuchs recht schnell ein kleiner Hype um die lange Strecke zum Hutton Außenposten. Das Schwarz, wie der Weltraum in Elite: Dangerous gerne genannt wird, ist nicht unbedingt für dessen Vielfalt bekannt, und Besonderheiten und Anomalien erfreuen sich als Ausflugsziele schnell großer Beliebtheit und führen nicht selten zu Pilgerreisen. Immer mehr Spieler fingen an absichtlich und regelmäßig die berüchtigte Strecke von 0,22 Lichtjahren auf sich zu nehmen. Auch, aber nicht nur, weil hier am Ende des interstellaren Regenbogens zwei exklusive Güter zu erwerben sind: Die Spirituose Hutton Mega-Gin und der berühmte Hutton-Becher, der, je weiter er von Hutton entfernt verkauft wird, umso höheren Profit einbringt. Der Becher war der Gewinner einer Wahl unter den Elite-Spielern, welches besondere Gut in Hutton angeboten werden sollte. Kurz darauf gab es sogar ein offizielles Community-Ziel (Missionen, die alle Spieler dazu auffordern, gemeinsam ein bestimmtes Ziel zu erreichen) dazu: Über eine Woche lang sollten Spieler tonnenweise Schrott zum Hutton Außenposten transportieren, um die Produktion des Bechers voranzutreiben. Die Hutton Orbital Truckers (mit eigener Radiostation) und der Hashtag #FortheMug (Für den Becher!) waren geboren.
Jetzt mal im Ernst: Warum?
Diese Frage ist nicht ganz so leicht zu beantworten. Ich hole etwas aus und verweise auf mein Lieblingsspiel No Man's Sky und dessen ungewöhnliche Art Spiele am Bildschirm zu erleben: Besinnliches bis hypnotisierendes Erkunden eines schier unendlichen Universums. Eine Wandertour über einen fremden Planeten nach der nächsten. Illustre Lebensformen entdecken und sich an fremdartigen Pflanzen erfreuen. Optional und wahrscheinlich sogar optimal in Verbindung mit der Inhalation einer auf der Erde im Gegensatz dazu sehr bekannten pflanzlichen Substanz. Für viele Liebhaber konventioneller Spiele also eher so Nichtstun.
Genau wie der Flug nach Hutton. 90 Minuten Frauen und Männer die auf Hutton starren. Vielleicht nebenbei Netflix auf dem Computer oder dem Smartphone schauen. Vielleicht mit dem Partner oder mit Freunden quatschen. Vielleicht mit anderen Spielern im Konvoi fliegen. Vielleicht einfach nur so ins Schwarz starren. Eineinhalb Stunden Ruhe und das Wissen, dabei virtuell in einem Sternsystem unterwegs zu sein, das noch sehr lange nicht von der Menschheit erreicht werden kann. Das grundsätzlich Positive an der Hutton Tour: Ich weiß, worauf ich mich einlasse. Ich ertappe mich dabei, bereits Tage vorher für das Wochenende eine solche Tour einzuplanen und der Gedanke, dass es einfach so klappen wird, weil einem eigentlich nichts passieren kann, außer dass die zwingend notwendige Internetverbindung abbricht, keine Cola im Kühlschrank wartet oder kein Kaffee da ist, macht das Ganze zu einem extrem stressfreien und ausgesprochen attraktiven Zeitvertreib: 90 Minuten das Raumschiff rüber- und sich selbst herunterfahren.
Fazit: Na gut. Was muss ich tun?
Im Grunde genommen nicht viel. Um Hutton zu besuchen wird derzeit kein Zusatzpaket neben der Basisversion von Elite: Dangerous benötigt. Im Gegensatz zu unserem Sol-System zum Beispiel kann Alpha Centauri von Anfang an und ohne weiteres angeflogen werden, und die relativ zentrale Lage in der sogenannten Blase, den zivilisierten Systemen rund um das Sol-System, macht es zu einem perfekten ersten Ausflugsziel. Zu Beginn des Spiels solltet ihr dafür aber optimalerweise die Blase auch als Startpunkt aus den zwei angebotenen Optionen wählen. Selbst mit dem ersten Raumschiff, der Sidewinder, könnt ihr euch dann ohne weiteres auf die Reise machen. Wer bereits auf eines der Riesenschiffe umgestiegen ist sollte unbedingt bedenken, dass Hutton Orbital lediglich über einen kleinen und einen mittleren Landeplatz verfügt. Große Schiffe können dort gar nicht andocken. Die müsst ihr über andere Spieler in kleineren Schiffen beladen lassen. Oder ihr parkt euer großes Schiff, wie ich meinen Typ-7 Transporter, in einem der benachbarten Systeme und lagert dort ein kleines Model, in meinem Fall eine Adder als Hutton-Fähre ein. Außerdem ist es zu empfehlen, das Energiespar-Profil der Konsole temporär auszuschalten. Das Herunterfahren des Controllers bei Inaktivität führt bei Elite: Dangerous zum Rauswurf aus dem Spiel und schickt euch nach sechzig Sekunden zurück in den Titelbildschirm. Auch wenn Elite eure Position recht regelmäßig auf den Servern sichert, ist es dennoch eine unschöne Unterbrechung und generell kein gutes Gefühl.
Alternatives Fazit: Du bist seltsam.
Ja. Das könnt ihr auch auf No Man's Sky schieben. Das hat mein Spielverhalten in soweit völlig verändert, dass ich mich virtuell derzeit am wohlsten in scheinbar grenzenlosen Welten fühle, spärlich bevölkert von gleichgesinnten Menschen, die nur darauf warten Dinge zu tun, die vorher nicht möglich waren oder als eher so seltsam abgestempelt wurden. Regelmäßig 90 Minuten lang nach Alpha Proxima zu fliegen zum Beispiel.
In diesem Sinne: Wir sehen uns auf Hutton o7